Ein Medorrhinumfall - die Auswirkung einer unterdrückend behandelten Gonorrhoe
DER PATIENT
Mein kleiner Patient ist 15 Monate alt und das erste Kind seiner Mutter. Ich kenne Karl seit seinen ersten Lebenstagen, die Mutter ist eine Freundin. Zur Behandlung des Kindes komme ich zufällig - normalerweise wird er von seiner Kinderärztin betreut.
VORGESCHICHTE
Vom Ende seiner 1. bis zum Ende der 2. Lebenswoche litt Karl unter einem Schnupfen, ausgelöst durch nächtlichen Zug. Einige Zeit später erlitt er eine Augeninfektion mit unaufhörlich laufenden Augen, die Schleim absonderten. Zur Geburt hatte er die noch immer obligatorischen Augentropfen erhalten. 14 Tage vor seiner heute beschriebenen Erkrankung hatte er eine Angina, die mit Antibiotika behandelt wurde. Karl wurde ausreichend lang gestillt.
AKUTE ERKRANUNG
Mutter und Kind wollten mich besuchen und bei uns übernachten, aber Karl ging es nicht gut. Er hat einen Husten, der sich nachts durch das Liegen verschlimmerte. Nach dem Abendessen hatte er ein sehr geblähtes Abdomen, er war sehr weinerlich und ningelte rum, verlangte nach der Mutter, aber konnte nicht lange durch sie getröstet werden. Es bestand ein fast ständiger Nasenausfluß, leicht grün-gelb, viel durchsichtig. Durch Späßchen ließ er sich vorübergehend aufheitern, aber ebenso schnell ningelte er wieder unglücklich herum.
ERSTE VERSCHREIBUNG
Eine Gabe Pulsatilla, verordnet auf Grund der Weinerlichkeit und Anhänglichkeit an die Mutter, dem grün-gelben Nasenausfluß, dem blonden blauäugigen Erscheinen - einer wackligen Verschreibung, brachte keine Besserung. Dieser Verschreibung entgegen stand auch sein Verlangen, oft zu trinken.
Es folgte eine anstrengende Nacht, Karl kam erst spät zur Ruhe, erwachte immer wieder durch seinen Husten. Dieser zwang ihn zum aufsetzen und schmerzte scheinbar.Er schreit, klagt und weint. Auffallend war eine Beruhigung, durch die Knie-Ellebogen-Lage.
ZWEITE VERSCHREIBUNG
Auf Grund dieser Beobachtung - Knie-Ellebogen-Lage im Schlaf, seinem extremen Augenausfluß vor einiger Zeit, den noch verordneten nachgeburtlichen Augentropfen und einem oft wunden, roten Po verschrieb ich am nächsten Tag um Mittag Medorrhinum C30.
VERLAUF NACH VERSCHREIBUNG
Innerhalb der folgenden Stunde gab es einen "dramatischen" Verlauf : das Nörgeln nahm zu, er schrie, weinte, die Temperatur stieg an - genaue Werte habe leider ich nicht aufgezeichnet - das Essen wurde verweigert, Nasenausfluß und Husten nehmen zu. Durch diesen Verlauf veranlaßt drängte die Mutter zu einer Fahrt zum Wochenddienst der Kinderärztin. Ihre Sprechstunde sollte bis 14 Uhr gehen, deshalb wollte sie doch noch vorweg sicherheitshalber in Behandlung. Auf dem Weg dorthin beruhigte sich Karl zusehends, er benutzte das Töpfchen für einen Stuhlgang während der Sprechstunde, machte keinerlei Schwierigkeiten bei der Untersuchung.
Wieder zuhause, 2h nach der Medorrhinumgabe wird das Essen mit großem Appetit nachgeholt. Karl ist fröhlich, wie verwandelt. Nach dem Mittagsschlaf wird er wieder nörgelig, was mich dazu veranlaßte, die Gabe zu wiederholen. Heute würde ich länger abwarten.
Am Spätnachmittag und Abend ist Karl gut drauf, spielt, badet, schläft in der Nacht wesentlich ruhiger.
Die Kinderärztin hatte schleimlösenden Hustensaft verordnet und Meersalznasentropfen. Dies wurde dem Kind auf Wunsch der Mutter verabreicht.
Da in der Nacht das Fenster geschlossen blieb, erwachte Karl wegen der geschwollenen Nasenschleimhäute. Nach den Nasentropfen schlief er wieder ein.
Wir beobachteten nach der Medorrhinumgabe eine kurze, intensive Erstverschlimmerung mit nachfolgender stetiger Besserung - eigentlich wie im Bilderbuch. Zwei Tage nach der Gabe besuchte Karl wieder ohne Probleme den Kindergarten. Auszuschließen ist wohl ein Placeboeffekt, da das vor Medorrhinum verabreichte Pulsatilla nichts an der Problematik verändern konnte.
NACHBEOBACHTUNG
Es ist in einem Nachbeobachtungszeitraum von 3 Jahren keine derartige Erkrankung mehr aufgetreten. Wegen einer Entzündung der Vorhaut mußte im Krankenhaus eine Spülung vorgenommen werden und es wurde der Mutter mitgeteilt, daß das Kind deshalb operiert werden sollte. Unter Hinweis auf die Ausführungen von Dr. Herman Leduc in seinem Buch "Kranke Kinder homöopathisch behandeln", riet ich ihr vorerst davon ab. Ein Leistenbruch wurde zu späterer Zeit operativ behoben. Der Junge hat sich insgesamt ausgezeichnet entwickelt, er ist sehr aufgeschlossen und intelligent.
HINTERGRUND DER ERKRANKUNG
Im Nachhinein erfuhr ich von der Mutter, daß sie vor einigen Jahren wegen Gonorrhoe behandelt werden mußte. Ich wäre froh gewesen, hätte sie mir dies früher gesagt, daß hätte meine Zweifel, ob ich die Nosode verabreichen sollte, noch besser ausgeräumt. Natürlich bestand die Behandlung in der Gabe von Antibiotika und wir dürfen davon ausgehen, daß eine Unterdrückung stattgefunden hat, keinesfalls eine Heilung der Gonorrhoe.